Schweigende Übereinstimmung
Während ich mich kurzzeitig von der Wissenschaft erkannt fühlte, meine Mundwinkel zu neutralisieren, stellte sich in einer vielleicht zu gradlinigen Logik das Reisefieber ein.
Ich war mir nicht ganz sicher, ob es an der neuen Umgebung lag oder an was auch immer. Um den Butterberg rechts und links der Hüfte ruhten deutlich nackte Zahlen, die dringend um eine Reduktion ersuchten und der ästhetische Abbau war also nicht nur zwingend notwendig, sondern auch unvermeidlich. Wie heißt es doch: „Er verdankte seinen Erfolg seiner ersten Frau und seine zweite dem Erfolg.“ Da waren sie wieder, diese Gedanken, diese ausufernden Ungeschicklichkeiten, die zu nichts taugen, als schnell in irgendeinem tiefen See ertränkt zu werden. Auf andauerndes Glücklichsein ist das Gehirn nicht ausgelegt, das Machtinstrument Glück muss also wo anders liegen. Sieh, das Gute liegt so nah“ angelehnte Worte an die Anfangsverse von Goethes Vierzeiler Erinnerung: „Willst du immer weiter schweifen? Lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da.“ Aber wo kann ich das Glück finden? Wie sieht es aus? Kann ich das Glück anfassen oder ist das Glück eine Vision? Und kommt das Glück allein oder ist es eine Larve, die sich vermehrt?
Eines ist sicher, es kommt nie so daher, wie wir es uns vorstellen. Aber irgendwo musste es doch zu finden sein. Die Großwetterlage in unserem Gemüt hängt von vielen Dingen ab, die wir selten in die Kalkulation mit einbeziehen. Das heikle Spiel aus Reiz und Rührung entwickelt seine Kraft ja erst in den Momenten, sobald man bereit ist, sich von Perspektiven, Farben, Formen, Gerüchen und Klängen einstimmen zu lassen. Allein in einem solchen Augenblick vermag die Nähe der guten Ästhetik vom wohltuenden Leben erzählen und erst dann erwacht jener Möglichkeitssinn, den die Gegenwart gerade so gut brauchen kann.
Denn das Leben hat sich verändert, die Industrie und das ganze Machtgefüge der Immobilienspekulation. Nichts ist so, wie es einmal war. Die bunten Dinge von damals wirken heute blasser, die Spaziergänger gehen in den Touristenschwärmen unter, die Singles gehen in Tauchstation, aus Angst, sie könnten sich unter der Masse verlieren und die Szenen in der Gastronomie gleichen einer Abfertigungshalle. Straßenlärm, Flugzeuglärm, laute Menschen – dem Klingeln, Rauschen, Dröhnen und Säuseln, der Brutalisierung der modernen Welt scheint man nicht so einfach zu entkommen.
Begriffe wie Anmut oder Liebreiz, erhabenes Staunen oder Ergriffenheit liegen wohlverwahrt in der Mottenkiste, warnend steht obendrauf: Achtung, Kitsch! Sind wir noch sensibel für unser Umfeld oder schon längst abgestumpft? Was wir brauchen ist Ruhe, Meditation, Abgeschiedenheit, Entschleunigung und eine große Portion Freundlichkeit. Und es stimmt ja, wer den Deckel anhebt und die weithin vergessenen Mittel der ästhetischen Empfindsamkeit erproben will, der geht ein Wagnis ein.
Eines aber lässt sich mit Bestimmtheit sagen: Wenn das Leben eines ist, in dem die Welt leer erscheint, farblos und taub, als eine Welt, in der sich der Einzelne überflüssig wähnt und nicht anerkannt, kann die Ästhetik in der Gefühlswelt ein Gegenbild bieten.
Das Meer tut gut, zu allen Zeiten, aber so weit wollte ich nun dennoch nicht fahren, eine Runde vielleicht. Um meinen „Weltschmerz“ abzustreifen oder zumindest versuchsweise das gängige Repertoire zu erweitern, fuhr ich an diesem ersten warmen Frühlingstag an den Wolfgangsee. Und wer denkt dabei nicht an das „Weiße Rössl und an Peter Alexander. Ach, schön musste es zu dieser Zeit gewesen sein. Was sprach Loriot: „Früher war mehr Lametta“. Und ganz unbeabsichtigt entdeckte ich dieses Haus, das kleine Hotel, am sonnigsten Plätzchen des Wolfgangsees, in Ried. Nur wenige Augenblicke vom Parkplatz entfernt erreichten mich gedämpfte Stimmen, die von der Terrasse herkamen und nichts mit dem Trubel in der Stadt gemeinsam hatten. Und genau da waren sie wieder, die sechziger Jahre, das frühere Leben in seiner unbeschwerten Sorglosigkeit, ein Haus, ein See, eine Wiese, ein Steg, ein Boot und in blendendem Weiß gedeckte Tische an denen eine angenehme Gesellschaft ihre Mahlzeit unvernehmbar verzehrte. In diesem Augenblick, in dem das Gewicht der letzten Tage von meinen Schultern fiel und die Dämmerung in der blauen Stunde einen silbernen Teller auf das Wasser zauberte, als würde sie um ein Wunder flehen, begriff ich, dass das Glück nicht berührbar ist. Es ist die Absorption einer Schöpfung in ihrer Vollkommenheit, die nur im Hier und Jetzt stattfinden kann, die vorläufig ist, nicht übertragbar und unverkäuflich ist. In der Frage des Mitarbeiters lag keine Eile, eher ein sich aufhalten, während er mich zum Tisch begleitete.
Der Beginn des Abends und die sommerliche Temperatur traten in offenen Wettbewerb gegeneinander an, und jedes zu seiner Zeit strahlte das aus, was man eben als Vollkommenheit bezeichnen konnte. Warum hat dieses kleine Wort eine so große Wirkung? Wahrscheinlich, weil darin die Dynamik liegt, die Welt, so wie sie ist, mit ihren nie enden wollenden Veränderungen, Baustellen und Supermarktketten, in einer gentil wirkenden Umgebung, abweichend aufzunehmen. Man selbst fühlt sich engelgleich und jugendlich frisch, wenn Himmel und Wasser das innere Auge berühren. Gekommen um zu bleiben – aber etwas gehen zu lassen, sollte ebenso glücklich machen, wie die Freude auf ein neues Erlebnis. Eine schweigende Übereinstimmung mit dem Glück fand um Mitternacht statt, als die Kerzen heruntergebrannt waren und alle Beteiligten herausfanden, wer sich mit wem gut versteht.
Probieren Sie es selbst aus und lassen Sie eine neue Facette Ihrer Persönlichkeit erkennen und vielleicht finden Sie einen neuen Grundsatz, nicht viel Geld für Dinge auszugeben, die sie nicht brauchen und nur kaufen, um sich und anderen einen Gefallen zu tun. Und eine Portion Extraliebe hat das Glück allemal verdient und warum nicht auch zu einem Expertenfrühstück bei Familie Hödlmoser.
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