Beginnen wir doch einmal mit dem Buchstaben „A“, dort, wo alles Leben beginnt. Manch einer wird als Shakespeare, als Finanzgenie, als Traumtänzer, als Chaot, als Weltenbummler oder Müßiggänger geboren. Und nichts deutet darauf hin, dass es anders werden könnte. Nur der Himmel weiß, was aus ihnen wird. Einer Pflanze, die ohne Luft, Licht und leidlichen Boden nicht gedeiht, wird keiner einen Vorwurf machen, nur der Blume, die im hellen Licht steht und nicht wachsen will. In jungen Jahren erleben wir viel Neues, als das in späteren Jahren der Fall sein wird. So gibt es für ein Kind fast täglich etwas, das es so noch nicht kennt – eben ein erstes Mal. Nicht zu vergessen ist diese faszinierende Welt voller Emotionen, Neugier und Aufregungen. Jetzt wissen wir auch, warum Peter Pan lieber ein Kind bleiben wollte.
Später dann, kurz vor dem Erwachsenwerden, beginnen wir zu stolpern und zu reifen, denken wir…! Aber dieser Prozess wird länger dauern als dass der Fisch ein Vogel wird. Wir befinden uns in den Irrungen und Wirrungen des Lebens, wollen es auf den Kopf stellen, sitzen vor unserem Visionsboard und hören das hungrige Ego aufschreien. Wir beginnen ein Haus zu bauen, pflanzen einen Baum und haben Kind und Familie. Wir trennen uns und kämpfen um das, was noch nicht kaputt gegangen ist, wechseln die Fronten, Freunde, Wohnort und Beruf. Was folgt, ist das Wunschbild, das alles viel viel besser wird. Wir harren der Dinge und erleben ein Verlustgeschäft im Klammerbeutel und so mancher günstige Zeitpunkt wird auf später verschoben. Später, welch heroisches Wort in der Blütezeit. Später ist irgendwann zu spät. Beim zweiten oder dritten Anlauf hält der eine dann mit stolzgeschwellter Brust seine erkämpfte Trophäe in der Hand. Ohne Fleiß kein Preis… sagt man! Der andere balanciert lebensfremd weiter auf seinem eingetretenen Weg, bevor er überhaupt begonnen hat, darüber nachzudenken. Betreiben wir Satzanalyse, werden wir uns die Begrifflichkeiten gefallen lassen müssen, denn hier gibt es zwei abstrakte Substantive, die Willigen und die Unwilligen.
Die jungendliche Stimmung ist den gewonnenen Erkenntnissen gewichen, dass die Zeit nicht für mehrere Leben reicht. Es scheint, als fallen nach und nach alle unnötigen Verkleidungen und Masken und alle störenden Reichtümer und Entbehrungen werden abgelegt. Die große Gefühlsbewältigung ist in vollem Gange. Die Willigen beginnen über Sinn und Leben zu philosophieren und fast schwingt eine nihilistische Aussage mit: Worin haben wir unsere Lebenszeit investiert? Die Unwilligen stehen dazu in scharfem Kontrast und haben sich in Belanglosigkeiten verwickelt. Wem es also gelungen ist, sein Leben um seiner selbst willen zu leben, Werte synchronisiert und Nächstenliebe erteilt hat, der wird auf ein sinnerfülltes Leben zurückblicken. Nur einfach s e i n, um zu leben, entzieht dem Eigenwert den Kern.
Der Buchstabe „Z“ ist greifbar nahe, die Tage vergehen schneller. Die Gedanken werden zum Soundtrack unseres Lebens, und wohin immer wir gehen werden, in unseren zunehmend psychedelischen Erkundungen der Sinne kehren wir immer wieder zum Buchstaben „A“ zurück. Sind wir bei aller Härte dann dort angelangt, profitieren wir vom Gesamtwerk unseres Schaffens oder eben auch nicht.
Bevor wir aber den Stift in die Hand nehmen und unseren letzten Buchstaben schreiben, sollten wir noch einmal eine persönliche Oase finden, Zeit nehmen für das „Ich“, die Perspektive schärfen und den eingesessenen Platz verlassen. Das kann Freiheit, Neuorientierung, sich unzerstörbar finden, bedeuten. Denn das letzte Blatt im Foliant hält immer noch eine leere Seite für uns bereit.
Danach gibt es kein Entrinnen mehr, keine Wiederholung. Nichts kann rückwärts geschrieben werden, nichts wird sich umdrehen und die Kapitel können nicht prolongiert werden. Das kleine graue Packerl, welches dann vom Leben übrig bleibt, wird dann von der Nachwelt entweder als bedeutungsvoll oder als unbrauchbar betrachtet, so wie der Willige und der Unwillige das Leben verlassen haben.
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